Sehen, hören, fühlen, entdecken – schreiben
Über dieser Rubrik steht Schriftstellerin. Manche bezeichnen mich so. Aber eigentlich bin ich Journalistin. Meine Tagesarbeit war vor allem die Tageszeitung. Tageszeitung, in die man einen Tag später die Fische einwickelt. Denn nichts ist so alt, wie die Zeitung von gestern.
Für das ERF-Team habe ich die gute alte “Erika” vom Dachboden geholt. Auf ihr tippte ich meine ersten Bücher.
Vielleicht bedrängte mich auch deshalb in den 80er Jahren der Wunsch nach einem Buch – von mir geschrieben, von einem Verlag herausgegeben, von vielen gelesen und möglichst lange aufgehoben. Wer schreibt, der bleibt. Und als sich der Wunsch erfüllte und in Gestalt meines ersten Buches “Auf der Suche” vor mir lag, da dachte ich, es könnten ja auch drei sein. Drei Bücher, das wäre toll.
Inzwischen sind es sechs.
Unmittelbar nach der Wende habe ich Texte für zwei Forster Stadtfilme geschrieben, was eine besondere Herausforderung war. Da ging es nicht um Zeilen oder Buchstaben, sondern um Sekunden und Minuten, die ich mit Sprache zu füllen hatte.
Mit einzelnen Geschichten, Gedichten und Tagebuchaufzeichnungen bin ich in einigen Büchern vertreten, was mich freut. Zum Beispiel in:
“Mit meinem Gott springe ich über Mauern”
“Mit dem Wind im Rücken”
“Das schaffen wir”
“Die Revolution der Kerzen”
“Erlebt in der DDR”
“Gubener Heimatkalender 1993″
“Familienkalender 2005″
“Lebendige Liebe”
“Forster Jahrbuch” (seit 2005 fortlaufend)
“Ostdeutscher Rosengarten – 100 Jahre Erinnerungen”
“Der Ostdeutsche Rosengarten”
“Ein Lächeln für jeden Tag”
“Überreich beschenkt”
“In der Bahnhofsgaststätte”
“Alles nur Theater”
“Klein Bademeusel”
“Alltag im Wort”
Mauerfall – Deutsche Einheit – Gott sei Dank!”
Außerdem schreibe ich Kalenderblätter für mehrere Verlage, Beiträge für Zeitschriften und manches mehr. Und wenn ich mir das jetzt hier so anschaue, bekomme ich Lust, noch mehr Schrift zu stellen.
Hier bevölkert der ERF mein Arbeitszimmer, denn mit “Hammer, Kreuz und Schreibmaschine” kam ich ins Fernsehen.
Im Oktober 2021 kommt mein siebtes Buch auf den Markt:
Von der Neiße zum Bug
Seit dem letzten Jahr arbeite ich intensiv an einem Buch mit dem Arbeitstitel „Von der Neiße zum Bug“ Grundlage dafür sind Zeitzeugengespräche, die Georg Vietzke, geboren am 1.9.1919 in Forst (Lausitz) mit Mitarbeitern des Stadtarchivs Forst geführt hat sowie über 30 Feldpostbriefe und Bildmaterial aus privaten Fotoalben.
Georg Vietzke, der 2019 mit seiner Familie den 100. Geburtstag feiern konnte, hat ein bewegtes Leben hinter sich gelassen, als er 2020 starb. Er war Zeit eines aktiven Lebens ein Macher, ein Organisator, einer, der sich und anderen immer zu helfen wusste, der das Leben liebte und auslebte.
Beim Aufarbeiten des mir vorliegenden Materials merkte ich zunehmend, welchen wertvollen Schatz ich da auf meinem Schreibtisch habe. So ist ein sehr authentisches Manuskript, ein Zeitdokument entstanden, von dem ich denke, dass es nicht nur mich berührt. Die Schilderungen, insbesondere die Feldpostbriefe sind sehr berührend und bewegend. Sie sind nicht nur als historische Quelle bedeutsam, sondern auch spannend zu lesen. Nachgeborenen Generationen bekommen so einen guten Einblick in die 30er, 40er und 50er Jahre in der Stadt Forst. Die (regionale) Geschichte erzählt kraftvoll, humorvoll und nachdenklich vom Überlebenswillen in Kriegs- und Nachkriegsjahren.
Das Manuskript liegt beim Niederlausitzer Verlag, Guben und befindet sich derzeit im Feinschliff.
Aus dem Prolog:
Je länger der Krieg zurück lag, desto näher rückten die Erinnerungen. Fast hundertjährig durchlitt Georg Vietzke erneut Todesängste, wenn er aus dem Pflegebett herausgehoben wurde. Immer wieder war er auf der Flucht, vermied es, in seiner Muttersprache zu reden, bevorzugte im Rollstuhl sitzend eine Mütze, die „so schön polnisch“ aussah, sprach davon, schon zwei Leute verloren zu haben. Glücklicherweise kannte ich seine Lebensgeschichte und konnte ihn beruhigen. „Deine Kriegskameraden haben die Flucht auch geschafft, genau wie du. Es ist alles gut.“ – „Woher willst du das wissen?“ – „Na, der eine hat doch eine Mühle in Joachimsthal gebaut, der andere ist in den Westen gegangen.“ – „Ach, ja. Stimmt.“
Als er erblindete, kamen die Bilder des Schreckens und er kämpfte erneut ums Überleben.
Die letzten sieben Jahre seines Lebens waren davon geprägt, dass er mehr und mehr von seiner Selbstständigkeit verlor. Seinen Humor, seine dankbare Haltung, seine Liebe zum Leben und den Glauben daran, dass Gott es gut macht, hat er bis zum Ende nicht verloren. Dabei litt er unter der zunehmenden Abhängigkeit. „Ich möchte nur noch einmal einen Weg gehen, den ich gehen will“, sagte er mir einmal im Rollstuhl sitzend. Seine letzten verständlichen Worte waren: „Ich will.“ Er starb im 75. Friedensjahr am 22. März 2020 im Alter von 100 Jahren, sechs Monaten und 22 Tagen. In einem Brief von der Front an seine Frau heißt hoffnungsvoll: „Nichts soll uns trennen. Nicht Zeit, Weite oder Tod. Wir lachen über die drei, denn sie sind zu machtlos bei uns beiden. Was ist denn die Zeit? Sie vergeht. Was ist die Weite? Schau die Welt an und dann die Sterne. Die ungeheure Ferne des Weltalls und sind wir so gut wie beisammen. Und der Finsterste der Gesellen? Ach, was ist schon der? Es gibt ja ein Weiterleben. Auch wenn er einen Schlussstrich gezogen hat, unsere Liebe stirbt auch dann nicht.“